Missionsleiter unterwegs: Letzte und erste Projektreise in die Ukraine

21.3.2025
Unterwegs in der Ukraine, Januar 2025

Letzte und erste Projektreise in die Ukraine

Es ist Montag, der 13. Januar 2025. Um 7 Uhr beginnt die Fahrt in die Ukraine. Für Matthias Schöni ist es die letzte Projektreise ins Kriegsland als Missionsleiter – für seinen Nachfolger Martin Kurz die erste. Treffen und Sitzungen mit über 20 lokalen Partnern sind geplant. Die Reise führt bis in den Osten des Landes nach Dnipro und Saporischschja. Martin Kurz nimmt uns auf ein paar Stationen dieser Reise mit.

Baustellen- und Bäckerluft schnuppern

Nach den ersten Besuchen in Mukatschewo und im Casa Walachen in Poroschkowo fahren wir zu Mischa und Mark Dicky nach Lviv. Die beiden zeigen uns die Baustelle des zukünftigen Therapie- und Alterszentrums. Bereits 2020 träumt das Vater-Sohn-Gespann davon, in Lviv ein Alterszentrum zu eröffnen. Ende 2021 kaufen sie, mit Hilfe von LIO, ein geeignetes Gebäude. Doch mit der russischen Invasion im Februar 2022 legt die Familie Dicky die Sanierungspläne vorerst beiseite. Die Lage ist zu unsicher. Der Krieg dauert an und die Bedürfnisse der Bevölkerung ändern sich. Neu soll die Rehabi-litation von verletzten Soldaten ein zusätzlicher Schwerpunkt des Zentrums sein. Deshalb beginnen Mark und Mischa mit den ersten Sanierungsarbeiten. Nach dem Baustellen-Besuch geht es für uns weiter in die Bäckerei. Ein Unternehmen, das Dank einer Schweizer Militärbäckerei entstand. Bei meinem ersten LIO-Einsatz 2014 chauffierte mich Mischa Dicky an die Bäckereileiterschulung.

Jetzt, mehr als zehn Jahre später, überzeuge ich mich vor Ort von dem gelungenen Gewerbeförderungsprojekt! Das lässt mein Bäckerherz höher schlagen.

Nothilfezentrum in Ternopil

Am Donnerstag treffen wir Ivan Hontar in Ternopil. Er ist der Leiter unseres Nothilfezentrums. Hier erhalten die Binnenflüchtlinge praktische Hilfe in Form von Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Um die Verteilung effizient zu gestalten, kommen die Hilfsempfänger zur zugewiesenen Zeit in Gruppen von 40 Personen ins Zentrum. Normaler-weise hält ein Pastor der lokalen Kirche eine Kurzandacht zu einem Bibeltext und betet mit den Menschen. Heute wird natürlich erwartet, dass der Besuch aus der Schweiz ein Wort an die Flüchtlinge richtet. Matthias gibt ihnen eine Ermutigung aus Gottes Wort weiter. Danach registrieren sich die Hilfsempfänger und erhalten die benötigten Lebensmittel und Hilfsgüter.

Im Gespräch mit Ivan spüre ich sein grosses Herz für die Menschen in seiner Stadt, besonders auch für die heranwachsende Generation. Nach der Pandemie und über drei Jahren Krieg leidet die Schulbildung der Kinder und Jugendlichen. Die Integration in die Arbeitswelt ist herausfordernd. Seit Anfang 2025 besucht Ivans Team verschiedene Schulen in Ternopil und sensibilisiert junge Menschen für die Berufswahl. Sie zeigen den Jugendlichen die Arbeitsmöglichkeiten im eigenen Land auf und fördern sozial schwache Jugendliche mit gezielter Begleitung und finanzieller Unterstützung. Dadurch erleichtern sie ihnen den Einstieg in die Arbeitswelt.

Mit dem Bombenalarm leben

Unsere Reise führt uns immer weiter in den Osten der Ukraine. Dadurch häufen sich auch die Bombenalarme. Beim ersten Alarm reagiere ich sofort und schaue zum Himmel. Doch nach der x-ten Sirene ist meine Reaktion schon etwas gelassener. So ergeht es den Ukrainern. Besonders eindrücklich erleben wir dies in Dnipro, als wir unterwegs sind zum Abendessen: «Plötzlich dröhnen die Sirenen – doch um uns herum reagiert keiner!» Verwundert schauen Matthias, Natalia und ich uns an. Ja, die Menschen leben hier mit dem Krieg.

Saporischschja – fahren wir hin?

Unser Treffen mit Dmitrij Matjuchin, Vlad Machowskij und ihrem Team in Saporischschja ist auf Sonntag geplant. Kurzfristig entscheiden wir: Ja, wir fahren hin, trotz der Gefahr. Am Morgen besuchen wir den Gottesdienst in Vlads Gemeinde. Viele Umsiedler sind Teil der Kirche. Neben Matthias predigt auch ein junger Mann, der in Vlads Rehazentrum zum Glauben gekommen ist. Ich freue mich, vom diesem Mann zu hören, der den Weg aus der Sucht und hin zu Gott gefunden hat! Beim Verlassen des Gottesdienstraumes bemerken wir eine Unruhe. Die Türen werden verschlossen. Was ist los? Dmitrij klärt uns auf: Vor der Tür stehen Soldaten und Polizisten einer Rekrutierungstruppe. Sie suchen nach Männern, die nicht registriert sind und in die Armee eingezogen werden könnten. Der ukrainische Alltag holt uns auch an diesem Sonntagmorgen wieder ein. Schon während der ganzen Fahrt durch die Ukraine beobachten wir diese Rekrutierungstruppen, die wehrfähige Männer suchen. Auch wir Schweizer werden kontrolliert! Dmitrij und Vlad begleiten uns aus der Kirche. Einige Männer bleiben drinnen und warten, bis die Truppe wieder weg ist.

Lange Fahrten ermöglichen lange Gespräche

Vor und nach jedem Besuch erzählt mir Matthias viel über die Entwicklung und Geschichte der verschiedenen Projekte. Auch Anekdoten und konkrete Hinweise, worauf zu achten ist. Diese Informationen sind eine wichtige Vorbereitung auf meine neue Aufgabe als Projekt- und Missionsleiter.

Wir helfen weiter!

In Dnipro treffen wir die Gemeindegründer, welche östlich der Stadt in den Dörfern aktiv sind. Einige sind aus ihrer ursprünglichen Heimat im Donbass geflohen und gründen nun in der Region Dnipro neue Gemeinden, unterstützen die Hilfsbedürftigen und erzählen ihnen von Gott. Unermüdlich sind sie unterwegs! Die meisten dieser Missionare habe ich an der LIO-Partner-Konferenz im April 2023 getroffen, aber heute stelle ich mich als neuer Missionsleiter vor und halte die Andacht. Doch was soll ich den Männern und Frauen, welche seit Jahren mit dem Krieg konfrontiert sind, weitergeben? Meine eigenen Sorgen erscheinen so nichtig und nur «fromme Sätze» kann und will ich nicht sagen. Mit der Geschichte von Petrus, der im Sturm auf dem Wasser auf Jesus zugeht, versuche ich meine Zuhörer zu ermutigen.

Frauenhäuser auch in Kriegszeiten

In Trylissy und Uman besuchen wir unsere Frauenhäuser. Die Lebensgeschichten der Frauen beschäftigen mich. Alkohol, Drogen und Gewalt sind auch in Kriegszeiten grosse Probleme. Die 26-jährige Julia erzählt ihre Geschichte. Erfolgreich als Judo-Sportlerin unterwegs begegnet sie den falschen Freunden und probiert verschiedene Drogen aus. Ihre Sportkarriere endet abrupt. Die junge Frau versinkt mit ihrem Freund im Drogensumpf. In unserem Reha-Zentrum für Frauen in Trylissy durchläuft sie den Entzug und versucht nun Schritt für Schritt wieder einen geregelten Alltag aufzubauen. Ein langer, steiniger Weg.

Heimweg: Zeit zum Nachdenken

Die Projektreise neigt sich dem Ende zu. Eine lange Heimfahrt steht an. Diese langen Fahrten ermöglichen auch das Nachdenken über das Erlebte. Viele Aufgaben schwirren durch meinen Kopf. Aber ich bin vor allem dankbar, dass wir als Licht im Osten konkret helfen können und Gott in all den Werken sichtbar ist.  «Danke Matthias, hast du die LIO-Partner in all den Jahren treu begleitet und unterstützt. Besonders deinen Einsatz in den letzten drei Kriegsjahren wissen auch unsere Freunde in der Ukraine sehr zu schätzen!»

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